Gefährliche 'Rip-Deals' nehmen zu

Was zunächst nach einem netten Devisengeschäft mit zweistelliger Rendite aussieht, entpuppt sich als äußerst riskante Transaktion: Mehr als 70 Millionen Euro haben Kriminelle bereits durch sogenannte Rip-Deals von ihren meist gut situierten Opfern erbeutet. Wer dennoch den Geldkoffer packt, begibt sich in große Gefahr.

Der Tag fing für Jochen L. (sämtliche Namen und Adressen wurden geändert) und seine Frau aus Essen gut an: Seit Wochen hatten sie ihr Ferienhaus auf Mallorca in verschiedenen Zeitungen inseriert, ohne dass sich jemand gemeldet hatte. Aber dann kam das Telefonat: Am Apparat war ein Mann namens George Aubert aus Nizza, der sich in gebrochenem Englisch nach dem Haus erkundigte. Ein Freund von ihm sei gerade auf Mallorca und würde sich das Haus auch gerne so bald wie möglich anschauen.
Das Ehepaar organisierte über einen Nachbarn die Besichtigung, und schon wenige Tage später meldete sich Aubert wieder. Das Haus sei genau das, was sie suchten. L. war begeistert: Nachdem sein Sanitärgroßhandel nicht mehr so gut lief, konnten sie die 560.000 Euro, die das Haus bringen sollte, dringend brauchen. Der Käufer feilschte auch nicht um den Preis. Und es kam noch besser: Der Mann aus Nizza machte das Angebot, vor dem Immobiliendeal noch ein kleines Devisentauschgeschäft abzuwickeln, bei dem das Ehepaar 40.000 US-Dollar verdienen würde.

30 Prozent Gewinn mit Devisentausch

Dabei sollten 250.000 Franken in Euro getauscht werden. Das Ehepaar hatte zuerst Bedenken, mit Geldern aus möglicherweise kriminellen Geschäften wollten sie nichts zu tun haben.
Aber Aubert beruhigte sie: Er sei Gesellschafter eines französischen Modeherstellers und dieses Geld stamme aus Geschäften in Afrika, die an der Steuer vorbeigelaufen seien. Zur Bestätigung faxte Aubert einen Handelsregisterauszug, der ihn als Gesellschafter einer französischen Firma auswies. Dass dieser Auszug gefälscht war, sollte sich erst später herausstellen. In den nächsten Tagen standen die Telefone nicht mehr still, das Ehepaar besorgte sich bei Freunden gegen das Versprechen, sie am Gewinn zu beteiligen, die nötigen 130.000 Euro. Dann riefen sie Aubert auf der Handynummer an, die ihnen dieser hinterlassen hatte.
Er schlug ein Treffen in einem Hotel am Amsterdamer Flughafen vor. Jochen L. und seine Frau machten sich auf den Weg. Das Geld, so hatten sie sich mit ihren Freunden verabredet, würden sie erst aus dem Kofferraum holen, wenn sie die Schweizer Franken gesehen und überprüft hätten. Als sie kurz vor dem Hotel waren, rief Aubert an: Er nannte ein anderes Hotel als Treffpunkt, da im vereinbarten zu viele Leute in der Lobby seien.

Koffer voller Geldscheine

Als das Ehepaar ankam, saß Aubert in einer Ecke mit seinem gelben Sakko, wie sie es als Erkennungszeichen vereinbart hatten. Mit ihm waren noch zwei Männer am Tisch. Was das Ehepaar L. nicht bemerkt hatte: Schon auf dem Parkplatz war ihre Ankunft genau beobachtet worden. George stellte die beiden Herren neben sich als seine Geschäftspartner vor, dann holte er einen Metallkoffer unter dem Tisch hervor und öffnete den Deckel so, dass nur Jochen L. hineinschauen konnte. Bündel von Schweizer Franken lagen fein säuberlich nebeneinander. L. nahm sich verschiedene Scheine und sah sie genau an, auch von den unteren Lagen. Alles schien in Ordnung, auch der Sicherheitsfaden war deutlich zu sehen. Die Gruppe stand auf, und man ging zum Auto des Ehepaars, das vor dem Hotel geparkt war. Aubert trug den Koffer. L. holte seinen mit den Euro-Scheinen gefüllten Koffer aus dem Auto und übergab ihn an Aubert, der ihm gleichzeitig den Koffer mit den Franken übergab. In diesem Moment fuhr mit quietschenden Reifen ein BMW vor, der vermeintliche Franzose sprang hinein, und der Wagen jagte vom Parkplatz.
Das Ehepaar begriff nicht, was los war, sie versuchten den Koffer zu öffnen, aber das Zahlenschloss verhinderte das.

Panik nach der Flucht der Täter

Jochen L. rief aufgeregt die Handynummer von Aubert an, der meldete sich auch und bat um Verständnis: Man habe sich nur kurz zurückgezogen, um zu prüfen, ob die Euro-Scheine auch echt seien. Danach werde man zurückkommen.
Jochen L. versuchte verzweifelt, mit einen Schraubenzieher den Geldkoffer aufzustemmen. Als er es endlich geschafft hatte, war die Ernüchterung groß: Die obere Lage der Scheine waren immer noch Schweizer Franken, aber darunter befanden sich Kopien mit einem "Facsimile-Stempel" auf der Rückseite. Die Täter hatten offensichtlich auf dem Weg zum Parkplatz die Koffer vertauscht. Nun war dem Ehepaar klar, Aubert würde nicht mehr kommen. Und auch sein Handy blieb von da an unerreichbar.
Wieder zurück in Essen gingen die Eheleute zur Polizei. Und dort erfuhren sie als Erstes, dass sie noch Glück hatten, andere Opfer dieser sogenannten Rip-Deals wurden zum Teil schwer verletzt, in einem Fall wurde ein misstrauisch gewordener Mann sogar ermordet.

Täter erbeuteten bisher mehr als 70 Millionen Euro

Das Ehepaar war einer Masche zum Opfer gefallen, mit der kriminelle Banden seit dem Jahr 2000 von deutschen Opfern mehr als 70 Millionen Euro erbeutet haben, wobei dies nur den angezeigten Schaden angibt.
Die Polizei geht von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Opfer vermeiden wollen, selbst in den Verdacht der Geldwäsche zu geraten. Was im ersten Moment als eine verfeinerte Variante altbekannter Taschenspielertricks erscheint, ist in Wahrheit das Werk hochkrimineller Akteure, die vielfach aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen.
Die Opfer werden gezielt ausgesucht, teilweise werden auch zuerst Tauschgeschäfte mit kleineren Summen tatsächlich abgewickelt, bevor es zur eigentlichen Tat kommt. Dabei werden die Übergabeorte bewusst ins Ausland verlegt und schon Stunden vorher von Mitgliedern der Bande überwacht, um jegliche Personenbewegungen zu beobachten und so einen eventuellen Einsatz von zivilen Polizisten zu bemerken.
Wird das Opfer während der Verhandlungen misstrauisch, wird häufig rücksichtslos Gewalt angewendet, um an das Geld zu kommen. Dass die Täter mit Falschnamen agieren und auch die Handynummern nicht registriert sind, versteht sich von selbst. Wer also derzeit etwas Wertvolles zum Verkauf inseriert hat, sollte bedenken: Der nächste Anruf könnte von George Aubert kommen, oder wie immer er sich inzwischen auch nennen mag.


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